Die Geschichte hinter unserem Verein
Die Gründung des Kleingartenvereins Leipzig-Sellerhausen e.V.
Die Geschichte hinter unserem Verein: Es war im Jahre 1896, genauer gesagt am 25. Oktober 1896, als sich 32 Gartenbesitzer zusammenfanden, um den Gartenbauverein Leipzig-Sellerhausen durch Eintragung in das Königliche Amtsgericht Leipzig, Blatt 78, zu gründen.
Erst am 01. April 1903 wurde der Verein durch seinen mittlerweile vierten Vorsitzenden Arthur Otto Schulz zum Schreberverein Leipzig-Sellerhausen e.V. umgewandelt und die erste (nach Gründung), noch heute im Staatsarchiv Leipzig hinterlegte Satzung, beim königlichen Amtsgericht Leipzig eingereicht. Damit war für den Verein der Status einer juristischen Person gegeben.
Mit Gründung des Gartenbauvereins am 25. Oktober 1896 wurde zunächst von der Stadt Leipzig ein Stück Land angepachtet, um einen Spielplatz zu errichten und drum herum verpachtbare Familiengärten. Gefolgt wurde damit dem Aufruf des bekannten Dr. med. Schreber, für die leibliche und geistige Erziehung der Kinder nach besten Kräften zu wirken.
Mit der Erstellung dieser Homepage hat sich der Vorstand umfassend mit der Gründung bzw. Historie des Vereins auseinandergesetzt. Wir haben dazu viele Stunden im Stadt- und Staatsarchiv verbracht, ohne zu merken, dass wir in unseren Vereinsräumen eigentlich alle relevanten Informationen aus den alten Vorstandsprotokollen hätten herauslesen können.
So ist es uns gelungen, aus den Vorstandsprotokollen den ersten Vorstandsvorsitzenden des Gartenbauvereins Leipzig-Sellerhausen e.V. herauszufinden. Es handelt sich dabei um Herrn Hermann Rosenkranz, der bereits drei Monate nach Gründung die ersten Vorstandssitzungen im bis in die 90iger Jahre existierenden Restaurant „Silberpappel“ durchführte, um die Geschicke des Vereins zu lenken.
Kurios ist, dass es auch ausgerechnet dieser erste Vorsitzende ist, dem ein paar Jahre später seitens seiner Kassierer Geld des Vereins ausgehändigt wurde. Dieses wurde von ihm jedoch nicht bestimmungsgemäß verwendet. Aus den alten in Sütterlin-Schrift verfassten Protokollen geht eindeutig hervor, dass ihm dies das Amt kostete und ein Herr Helbig seine Nachfolge als Vereinsvorsitzender im Jahre 1900 angetreten hat.
(Milchkolonie um 1903 — Quelle: Gfrd. Michael Warnack)
Die Milchkolonien im Schreberverein Leipzig-Sellerhausen e.V. um das Jahr 1903
Bereits im Jahre 1903 wurde im Schreberverein Leipzig-Sellerhausen e.V. eine Milchkolonie errichtet.
Die Idee der Milchkolonien entstand aus dem Gedanken, kränkliche, zumeist unterernährte, schulpflichtige Kinder im Sommer während der Schulferien die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen und einer gesunden Ernährung zu folgen. Der Kinder- und Jugendpflege wurde in den nächsten Jahren, wie in vielen Leipziger Schrebervereinen die größte Bedeutung gewidmet.
Im Jahre 1907 erfolgte seitens des damaligen 1. Vorsitzenden Adolf Baufeld der erste öffentliche Bericht des Schrebervereins Leipzig-Sellerhausen und er legte Rechenschaft über die Tätigkeit des Vereins bezüglich der Milchkolonien ab.
Im besonderen Maße wurde darauf verwiesen, dass es schwierig war mit den teils wesentlich älteren Brudervereinen in Leipzig mitzuhalten. Mit der übernommen Bezeichnung „Schreberverein“ im Jahre 1903 wurde die Verpflichtung übernommen, ein Eltern- und Erziehungsverein zu sein. Aus dem Bericht des Jahres 1907 lässt sich auch entnehmen, dass der Schreberverein Leipzig-Sellerhausen nicht nur für den Stadtteil Sellerhausen ein wichtiger Anlaufpunkt war, vielmehr erstreckte sich die Arbeit und das mit den Milchkolonien errichtete Angebot auf den gesamten Osten und Nordosten der Stadt Leipzig mit den Stadtteilen Sellerhausen, Volkmarsdorf, Neuschönefeld, Anger-Crottendorf und Reudnitz.
So gibt es in Leipzig Vereine, die im Durchschnitt pro Jahr etwa 250 – 300 Kinder mit Mahlzeiten über die Milchkolonien verpflegt haben.
Der Schreberverein Leipzig-Sellerhausen hat es in 11 Jahren (von 1910 – 1921) auf 8.828 Kinder gebracht, was einem jährlichen Durchschnitt von 803 Kindern entspricht. Neben der Verköstigung der Kinder in den Milchkolonien war es auch üblich Spiele, Wanderungen und Badegänge abzuhalten. Dies hat schon zu damaligen Zeiten Unsummen an Geldern verschlungen. Die Vereinsunterlagen und die Archive reden von über 60.000,- Mark und durchschnittlich 5.000,- Mark jährlich. Gezahlt werden konnten diese Summen nur durch Unterstützung von freiwilligen Spendern, Firmenzuwendungen und Unterstützung des Stiftungsamtes der Stadt Leipzig.
Das Stiftungsamt der Stadt Leipzig führte zur damaligen Zeit z.B. die „Stiftung eines Menschenfreundes“. Aus dieser Stiftung heraus konnten jährlich Mittel beantragt werden, um die Arbeit der Milchkolonien zu unterstützen.
In unseren Archivunterlagen befinden sich mehrere dieser Anträge, die seinerzeit vom 1. Vorsitzenden Emil Bergmann ab 1911 eingereicht worden sind.
Auch die Inbetriebnahme des Vereinshauses als eigener Wirtschaftsbetrieb im Jahre 1903 zur Abhaltung eigener Veranstaltungen war maßgeblich für die Finanzierung der Milchkolonien. Die Erlöse eigener Veranstaltungen flossen diesem Zwecke zu.
Aus unseren Unterlagen geht u.a. hervor, dass das Vereinshaus in den Wintermonaten als Kinderhort eingerichtet worden ist. In diesem Kinderhort wurde an zwei schulfreien Wochentagen von 2 – 4 Uhr nachmittags Handwerksunterricht unter Aufsicht von Lehrern erteilt. Leider konnte das Vereinshaus zum damaligen Zeitpunkt lediglich 80 Kinder aufnehmen, so dass viele Kinder abgelehnt werden mussten.
Mit Vorstandsbeschluss aus dem Jahre 1911 unter dem 1. Vorsitzenden Emil Bergmann (1910 – 1924 und weiterhin 1930 – 1940) wurde beschlossen, dass die eigenen bedürftigen Vereinskinder finanzschwacher Vereinsmitglieder kostenfrei an der Versorgung durch die Milchkolonie teilnehmen konnten. Kinder besser gestellter Gartenfreunde mussten 1,50 Mark pro Kind und Kinder von Nichtmitgliedern 5,- Mark bezahlen. Jedes Kind erhielt täglich 1 Liter Milch und 2 Brötchen, für die damalige Zeit für manche Kinder die einzige Mahlzeit am Tag.
Eines der Hauptziele der Milchkolonien war die Gewichtszunahme der Kinder. Wir dürfen die damalige Zeit und die bestehende Armut und Mangelernährung nicht vergessen. Heute im Jahr 2016 ist dies alles nur noch schwer vorstellbar. So wurden jährlich Gewichtsvermessungen der Kinder vorgenommen und durchschnittlich wurde eine Gewichtszunahme von 6 Pfund festgestellt (6 Pfund = 2,72 Kilo).
Wie auch heute waren damals schon die Sommerfeste des Vereins das große alljährliche Highlight. In den Aufzeichnungen und Chroniken des Vereins wird davon geredet, dass zumeist um die 1000 Kinder am Festumzug mit Festwagen in Begleitung des Trommler- und Pfeiferkorps teilgenommen haben. Bereits in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg (1914 – 1918) gab es in unserem Verein einen Gesangsverein bzw. ein Trommler- und Pfeiferkorps. Aus dem ersten Tätigkeitsbericht des Jahres 1907 geht hervor, dass sich dieser Korps aus 38 Kindern unter der Leitung der Lehrer Knolle und Uhde zusammengesetzt hat.
Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges kam das gesellschaftliche Leben auch in unserem Verein nahezu zum Erliegen. Sommerfeste wurden nicht mehr durchgeführt, der vorhandene Sängerverein bzw. Trommler- und Pfeiferkorps (dies geht aus unseren Aufzeichnungen nicht so genau hervor) wurde aufgelöst. Aus den Finanzbitten des Vorstandes an das Stiftungsamt der Stadt Leipzig bzw. die Stiftung eines Menschenfreundes geht hervor, dass viele der eigenen Gartenfreunde eingezogen worden sind und zu diesem Zeitpunkt in den Schützengräben lagen.
Erst im Februar des Jahres 1919 und nach Ende des ersten Weltkrieges konnte der Trommler- und Pfeiferkorps neu errichtet und mit Fahnenweihe im September 1919 endgültig gegründet werden. Die Kosten dieser Fahnenweihe wurden seinerzeit durch Spenden realisiert.
Da unser Verein niemals eine eigene Vereinsfahne sein eigen nennen konnte, ist die heute noch existierende Fahne des Trommler- und Pfeiferkorps aus dem Jahre 1919 unser größter verbliebener Vereins-Schatz. Diese Fahne befindet sich bis heute im hauseigenen Museum im Kleingartenverein Leipzig-Sellerhausen e.V. und kann interessierten Gartenfreunden gerne vorgezeigt werden. Das im Jahr 1903 erbaute Vereinshaus reichte bald den Ansprüchen des Vereins nicht mehr aus, so dass im Jahre 1925 der Neubau beschlossen und 1926 fertiggestellt wurde. Dies fand u.a. seine Begründung in der rasanten Vergrößerung des Vereines und der Zunahme der Mitgliederzahlen. Bereits im Jahre 1921 zählte der Verein 680 aktive Vereinsmitglieder. Bis heute ist diese Zahl bei noch knapp 390 vorhandenen Parzellen annähernd gleich geblieben.