Die Geschichte hinter unserem Verein

(1. Vor­sitzen­der Emil Bergmann 1910 — 1924 — Quelle Gfrd. Michael War­nack)

Die Grün­dung des Klein­garten­vere­ins Leipzig-Sell­er­hausen e.V.

Die Geschichte hin­ter unserem Vere­in: Es war im Jahre 1896, genauer gesagt am 25. Okto­ber 1896, als sich 32 Gartenbe­sitzer zusam­men­fan­den, um den Garten­bau­vere­in Leipzig-Sell­er­hausen durch Ein­tra­gung in das Königliche Amts­gericht Leipzig, Blatt 78, zu grün­den.

Erst am 01. April 1903 wurde der Vere­in durch seinen mit­tler­weile vierten Vor­sitzen­den Arthur Otto Schulz zum Schre­bervere­in Leipzig-Sell­er­hausen e.V. umge­wan­delt und die erste (nach Grün­dung), noch heute im Staat­sarchiv Leipzig hin­ter­legte Satzung, beim königlichen Amts­gericht Leipzig ein­gere­icht. Damit war für den Vere­in der Sta­tus ein­er juris­tis­chen Per­son gegeben.

Mit Grün­dung des Garten­bau­vere­ins am 25. Okto­ber 1896 wurde zunächst von der Stadt Leipzig ein Stück Land angepachtet, um einen Spielplatz zu erricht­en und drum herum ver­pacht­bare Fam­i­liengärten. Gefol­gt wurde damit dem Aufruf des bekan­nten Dr. med. Schre­ber, für die leib­liche und geistige Erziehung der Kinder nach besten Kräften zu wirken.

Mit der Erstel­lung dieser Home­page hat sich der Vor­stand umfassend mit der Grün­dung bzw.  His­to­rie des Vere­ins auseinan­derge­set­zt. Wir haben dazu viele Stun­den im Stadt- und Staat­sarchiv ver­bracht, ohne zu merken, dass wir in unseren Vere­in­sräu­men eigentlich alle rel­e­van­ten Infor­ma­tio­nen aus den alten Vor­stand­spro­tokollen hät­ten her­ausle­sen kön­nen.

So ist es uns gelun­gen, aus den Vor­stand­spro­tokollen den ersten Vor­standsvor­sitzen­den des Garten­bau­vere­ins Leipzig-Sell­er­hausen e.V. her­auszufind­en. Es han­delt sich dabei um Her­rn Her­mann Rosenkranz, der bere­its drei Monate nach Grün­dung die ersten Vor­standssitzun­gen im bis in die 90iger Jahre existieren­den Restau­rant „Sil­ber­pap­pel“ durch­führte, um die Geschicke des Vere­ins zu lenken.

Kurios ist, dass es auch aus­gerech­net dieser erste Vor­sitzende ist, dem ein paar Jahre später seit­ens sein­er Kassier­er Geld des Vere­ins aus­ge­händigt wurde. Dieses wurde von ihm jedoch nicht bes­tim­mungs­gemäß ver­wen­det. Aus den alten in Süt­ter­lin-Schrift ver­fassten Pro­tokollen geht ein­deutig her­vor, dass ihm dies das Amt kostete und ein Herr Hel­big seine Nach­folge als Vere­insvor­sitzen­der im Jahre 1900 ange­treten hat.      

(Milchkolonie um 1903 — Quelle: Gfrd. Michael War­nack)

Die Milchkolonien im Schre­bervere­in Leipzig-Sell­er­hausen e.V. um das Jahr 1903

Bere­its im Jahre 1903 wurde im Schre­bervere­in Leipzig-Sell­er­hausen e.V. eine Milchkolonie errichtet.

Die Idee der Milchkolonien ent­stand aus dem Gedanken, krän­kliche, zumeist unter­ernährte, schulpflichtige Kinder im Som­mer während der Schulfe­rien die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen und ein­er gesun­den Ernährung zu fol­gen. Der Kinder- und Jugendpflege wurde in den näch­sten Jahren, wie in vie­len Leipziger Schre­bervere­inen die größte Bedeu­tung gewid­met.

Im Jahre 1907 erfol­gte seit­ens des dama­li­gen 1. Vor­sitzen­den Adolf Baufeld der erste öffentliche Bericht des Schre­bervere­ins Leipzig-Sell­er­hausen und er legte Rechen­schaft über die Tätigkeit des Vere­ins bezüglich der Milchkolonien ab.

Im beson­deren Maße wurde darauf ver­wiesen, dass es schwierig war mit den teils wesentlich älteren Brud­ervere­inen in Leipzig mitzuhal­ten. Mit der über­nom­men Beze­ich­nung „Schre­bervere­in“ im Jahre 1903 wurde die Verpflich­tung über­nom­men, ein Eltern- und Erziehungsvere­in zu sein. Aus dem Bericht des Jahres 1907 lässt sich auch ent­nehmen, dass der Schre­bervere­in Leipzig-Sell­er­hausen nicht nur für den Stadt­teil Sell­er­hausen ein wichtiger Anlauf­punkt war, vielmehr erstreck­te sich die Arbeit und das mit den Milchkolonien errichtete Ange­bot auf den gesamten Osten und Nor­dosten der Stadt Leipzig mit den Stadt­teilen Sell­er­hausen, Volk­mars­dorf, Neuschöne­feld, Anger-Crot­ten­dorf und Reud­nitz.

So gibt es in Leipzig Vere­ine, die im Durch­schnitt pro Jahr etwa 250 – 300 Kinder mit Mahlzeit­en über die Milchkolonien verpflegt haben.

Der Schre­bervere­in Leipzig-Sell­er­hausen hat es in 11 Jahren (von 1910 – 1921) auf 8.828 Kinder gebracht, was einem jährlichen Durch­schnitt von 803 Kindern entspricht. Neben der Verkös­ti­gung der Kinder in den Milchkolonien war es auch üblich Spiele, Wan­derun­gen und Badegänge abzuhal­ten. Dies hat schon zu dama­li­gen Zeit­en Unsum­men an Geldern ver­schlun­gen. Die Vere­in­sun­ter­la­gen und die Archive reden von über 60.000,- Mark und durch­schnit­tlich 5.000,- Mark jährlich. Gezahlt wer­den kon­nten diese Sum­men nur durch Unter­stützung von frei­willi­gen Spendern, Fir­men­zuwen­dun­gen und Unter­stützung des Stiftungsamtes der Stadt Leipzig.

Das Stiftungsamt der Stadt Leipzig führte zur dama­li­gen Zeit z.B. die „Stiftung eines Men­schen­fre­un­des“. Aus dieser Stiftung her­aus kon­nten jährlich Mit­tel beantragt wer­den, um die Arbeit der Milchkolonien zu unter­stützen.

In unseren Archivun­ter­la­gen befind­en sich mehrere dieser Anträge, die sein­erzeit vom 1. Vor­sitzen­den Emil Bergmann ab 1911 ein­gere­icht wor­den sind.

Auch die Inbe­trieb­nahme des Vere­in­shaus­es als eigen­er Wirtschafts­be­trieb im Jahre 1903 zur Abhal­tung eigen­er Ver­anstal­tun­gen war maßge­blich für die Finanzierung der Milchkolonien. Die Erlöse eigen­er Ver­anstal­tun­gen flossen diesem Zwecke zu.

Aus unseren Unter­la­gen geht u.a.  her­vor, dass das Vere­in­shaus in den Win­ter­monat­en als Kinder­hort ein­gerichtet wor­den ist. In diesem Kinder­hort wurde an zwei schul­freien Wochen­t­a­gen von 2 – 4 Uhr nach­mit­tags Handw­erk­sun­ter­richt unter Auf­sicht von Lehrern erteilt. Lei­der kon­nte das Vere­in­shaus zum dama­li­gen Zeit­punkt lediglich 80 Kinder aufnehmen, so dass viele Kinder abgelehnt wer­den mussten.

Mit Vor­stands­beschluss aus dem Jahre 1911 unter dem 1. Vor­sitzen­den Emil Bergmann (1910 – 1924 und weit­er­hin 1930 – 1940) wurde beschlossen, dass die eige­nen bedürfti­gen Vere­in­skinder finanzschwach­er Vere­ins­mit­glieder kosten­frei an der Ver­sorgung durch die Milchkolonie teil­nehmen kon­nten. Kinder bess­er gestell­ter Garten­fre­unde mussten 1,50 Mark pro Kind und Kinder von Nicht­mit­gliedern 5,- Mark bezahlen. Jedes Kind erhielt täglich 1 Liter Milch und 2 Brötchen, für die dama­lige Zeit für manche Kinder die einzige Mahlzeit am Tag.

Eines der Hauptziele der Milchkolonien war die Gewicht­szu­nahme der Kinder. Wir dür­fen die dama­lige Zeit und die beste­hende Armut und Man­gel­ernährung nicht vergessen. Heute im Jahr 2016 ist dies alles nur noch schw­er vorstell­bar. So wur­den jährlich Gewichtsver­mes­sun­gen der Kinder vorgenom­men und durch­schnit­tlich wurde eine Gewicht­szu­nahme von 6 Pfund fest­gestellt (6 Pfund = 2,72 Kilo).

Wie auch heute waren damals schon die Som­mer­feste des Vere­ins das große alljährliche High­light. In den Aufze­ich­nun­gen und Chroniken des Vere­ins wird davon gere­det, dass zumeist um die 1000 Kinder am Fes­tumzug mit Fest­wa­gen in Begleitung des Tromm­ler- und Pfeifer­ko­rps teilgenom­men haben. Bere­its in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg (1914 – 1918) gab es in unserem Vere­in einen Gesangsvere­in bzw. ein Tromm­ler- und Pfeifer­ko­rps. Aus dem ersten Tätigkeits­bericht des Jahres 1907 geht her­vor, dass sich dieser Korps aus 38 Kindern unter der Leitung der Lehrer Knolle und Uhde zusam­menge­set­zt hat.

Mit Aus­bruch des 1. Weltkrieges kam das gesellschaftliche Leben auch in unserem Vere­in nahezu zum Erliegen. Som­mer­feste wur­den nicht mehr durchge­führt, der vorhan­dene Sängervere­in bzw. Tromm­ler- und Pfeifer­ko­rps (dies geht aus unseren Aufze­ich­nun­gen nicht so genau her­vor) wurde aufgelöst. Aus den Finanzbit­ten des Vor­standes an das Stiftungsamt der Stadt Leipzig bzw. die Stiftung eines Men­schen­fre­un­des geht her­vor, dass viele der eige­nen Garten­fre­unde einge­zo­gen wor­den sind und zu diesem Zeit­punkt in den Schützen­gräben lagen.

Erst im Feb­ru­ar des Jahres 1919 und nach Ende des ersten Weltkrieges kon­nte der Tromm­ler- und Pfeifer­ko­rps neu errichtet und mit Fah­nen­wei­he im Sep­tem­ber 1919 endgültig gegrün­det wer­den. Die Kosten dieser Fah­nen­wei­he wur­den sein­erzeit durch Spenden real­isiert.

Da unser Vere­in niemals eine eigene Vere­ins­fahne sein eigen nen­nen kon­nte, ist die heute noch existierende Fahne des Tromm­ler- und Pfeifer­ko­rps aus dem Jahre 1919 unser größter verblieben­er Vere­ins-Schatz. Diese Fahne befind­et sich bis heute im hau­seige­nen Muse­um im Klein­garten­vere­in Leipzig-Sell­er­hausen e.V. und kann inter­essierten Garten­fre­un­den gerne vorgezeigt wer­den. Das im Jahr 1903 erbaute Vere­in­shaus reichte bald den Ansprüchen des Vere­ins nicht mehr aus, so dass im Jahre 1925 der Neubau beschlossen und 1926 fer­tiggestellt wurde. Dies fand u.a. seine Begrün­dung in der ras­an­ten Ver­größerung des Vere­ines und der Zunahme der Mit­gliederzahlen. Bere­its im Jahre 1921 zählte der Vere­in 680 aktive Vere­ins­mit­glieder. Bis heute ist diese Zahl bei noch knapp 390 vorhan­de­nen Parzellen annäh­ernd gle­ich geblieben.